Ständeratswahlen 2019
1. Sozialstaat & Familie (0/6)

1. Befürworten Sie eine Erhöhung des Rentenalters (z.B. auf 67 Jahre)?

2. Soll der Staat die Schaffung von familienergänzenden Betreuungsstrukturen finanziell stärker unterstützen?

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Pro
Contra

Seit dem 1. Februar 2003 ist das Bundesgesetz über Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung in Kraft. Es handelt sich um ein befristetes Impulsprogramm, das die Schaffung zusätzlicher Plätze für die Tagesbetreuung von Kindern fördern soll, damit die Eltern Erwerbsarbeit bzw. Ausbildung und Familie besser vereinbaren können. Das Impulsprogramm war ursprünglich auf 8 Jahre befristet, wurde aber bereits dreimal verlängert. Für die Dauer der aktuellen Verlängerung bis zum 31. Januar 2023 wurde ein Verpflichtungskredit von 124.5 Millionen Franken bewilligt.

  • Ein Ausbau der Finanzierung von Betreuungseinrichtungen bringt eine finanzielle Entlastung für betroffene Familien.
  • Ein ausreichendes Angebot von Betreuungseinrichtungen erleichtert Frauen den Wiedereinstieg ins Berufsleben.
  • Eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf führt zu einer besseren Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials und damit einer Verringerung des Fachkräftemangels.
  • Kinder lernen in Kitas und Tagesstätten den Umgang mit fremden Kindern, was deren soziale Kompetenzen frühzeitig fördert.
  • Eine Fremdbetreuung ist nicht im Interesse des Kindes und führt letztlich zur Auflösung geregelter Familienstrukturen.
  • Der Staat sollte nicht in die private Lebensgestaltung von Eltern eingreifen. Die Förderung von externen Betreuungsstrukturen ist eine Diskriminierung von traditionellen Familienhaushalten.
  • Nicht der Bund, sondern allein Kantone und Gemeinden sollten in Kenntnis der Verhältnisse vor Ort und somit bedarfsgerecht über die Finanzierung von Betreuungsstrukturen entscheiden.
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3. Eine Initiative fordert einen bezahlten Vaterschaftsurlaub von vier Wochen. Befürworten Sie dieses Anliegen?

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Während Mütter in der Schweiz seit 2005 einen 14-wöchigen bezahlten Mutterschaftsurlaub beziehen können, beträgt das gesetzliche Minimum für Väter lediglich einen freien Tag. Es steht jedem Unternehmen frei, seinen Mitarbeitern einen längeren Vaterschaftsurlaub zu gewähren.

Eine eidgenössische Volksinitiative fordert, dass Väter innerhalb eines Jahres nach der Geburt des Kindes flexibel und tageweise vier Wochen Vaterschaftsurlaub beziehen können.

Die Finanzierung des Vaterschaftsurlaubs würde analog zur Mutterschaftsversicherung aus der Erwerbsersatzordnung (EO) erfolgen. Das Modell eines vierwöchigen Vaterschaftsurlaubs würde zwischen 380 und 420 Mio. CHF pro Jahr kosten.

  • Mit einem längeren Vaterschaftsurlaub wird eine solide Basis für eine gute Beziehung zwischen Vater und Kind gelegt. Väter sollen ermutigt werden, verstärkt familiäre Pflichten zu übernehmen.
  • Die heutige Regelung ist nicht mehr zeitgemäss. Die Gleichstellung der Geschlechter verlangt, dass einerseits Väter mehr Zeit mit ihren Neugeborenen verbringen und andererseits die Mütter nach der Geburt wieder raschen in den Beruf einsteigen können. Die Wirtschaft kann so das Potenzial der Mütter besser nutzen.
  • ​​​​Der Blick ins nahe Ausland zeigt, dass die Schweiz massive Defizite im Bereich des Vaterschaftsurlaubs hat. In der EU ist ein Vaterschaftsurlaub von mindestens einem Monat vorgesehen.
  • Ein Vaterschaftsurlaub alleine bringt noch keine gute Beziehung zum Kind und keine aktivere Rolle des Vaters im Familienalltag. Auch das traditionelle Rollenbild wird dadurch nicht unbedingt überwunden.
  • Dem Vater steht es zu, nach der Geburt des eigenen Kindes unbezahlten Urlaub oder Ferientage zu beziehen oder mit dem Arbeitgeber andere Absprachen treffen. Eine Pflicht zum Vaterschaftsurlaub ist nicht notwendig.
  • Unternehmen sollen frei entscheiden können, ob sie ihren Mitarbeitern einen Vaterschaftsurlaub geben oder nicht. Denn diese müssen die damit verbundene Abwesenheit kompensieren, was vor allem für Kleinbetriebe sehr schwierig ist.
  • Um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zu erhalten, sollten Unternehmen nicht zusätzlich durch einen höheren Betrag in die Erwerbsersatzordnung (EO) belastet werden.
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4. Sollen die Renten der Pensionskasse durch eine Senkung des Umwandlungssatzes gekürzt und an die gestiegene Lebenserwartung angepasst werden?

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Die berufliche Vorsorge ist die 2. Säule des Schweizer Sozialsystems BVG. Sie soll dazu beitragen, bei Krankheit, Alter und Tod in Ergänzung zur AHV/IV den bisherigen Lebensstandard möglichst weitgehend aufrechtzuerhalten.

Die berufliche Vorsorge beruht auf dem Kapitaldeckungsverfahren. Das bedeutet, dass für die Auszahlung der Rente ein selbst angespartes Kapital vorhanden sein muss und dass sich die Rentenhöhe nach dem verfügbaren Kapital bemisst.

In der obligatorischen beruflichen Vorsorge gilt für die Umrechnung des Kapitals in eine Rente ein Mindestumwandlungssatz. Der Umwandlungssatz legt fest, wie das angesparte Altersguthaben zum Zeitpunkt der Pensionierung in eine jährliche Altersrente umgewandelt wird. Zurzeit beträgt der vorgeschriebene Mindestumwandlungssatz für 65- jährige Männer und 64-jährige Frauen 6.8 Prozent. Pro 100'000 CHF obligatorisches Altersguthaben resultiert bei diesem Umwandlungssatz eine Rente von 6800 Franken pro Jahr.

Der Umwandlungssatz muss so festgelegt werden, dass unter Berücksichtigung der Lebenserwartung und der zu erwartenden Rendite (Zinsen und Erträge auf dem gesparten Kapital) eine ausreichende Finanzierung sichergestellt ist.

  • Die Lebenserwartung ist in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen. Der aktuelle Umwandlungssatz von 6.8% wurde aufgrund einer deutlich kürzeren Lebensdauer berechnet. Die Pensionskassen müssen folglich mehr Rentenleistungen auszahlen, als angespart wurde. Dies führt zu einer finanziellen Schieflage der Pensionskassen zulasten der jüngeren Versicherten.
  • Neben der Lebenserwartung bestimmt auch die Höhe der Kapitalmarktzinsen den Umwandlungssatz und damit die Höhe der Rente. Da diese Zinsen seit Jahren tief sind, wird es für die Pensionskassen immer schwieriger, die gesetzlich vorgeschriebene Rendite („technischer Zinssatz“) zu erreichen. Dies ist nur möglich, indem die Ersparnisse in riskantere Anlagen wie beispielsweise Aktien investiert werden, wodurch die Altersvorsorge weniger sicher wird.
  • Eine Senkung der Renten würde vor allem die weniger vermögenden Rentner/-innen stark treffen. Jedoch leben gerade diese im Durchschnitt weniger lang. Zudem sind die Verwaltungskosten bei den Pensionskassen zu hoch, insbesondere im Vergleich zur AHV. Zuerst sollten Verwaltungskosten gesenkt werden, bevor die Renten der Versicherten gekürzt werden.
  • Der Vorschlag beruht auf zu pessimistischen Annahmen bezüglich Zinsniveau und Wirtschaftsentwicklung. Bereits früher wurden vom Bund Fehlprognosen zur finanziellen Zukunft der AHV erstellt, welche inzwischen korrigiert werden mussten. Das derzeit aussergewöhnlich tiefe Zinsniveau wird unkritisch in die Zukunft fortgeschrieben. Andere Stellen des Bundes rechnen langfristig mit höheren Zinssätzen.
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5. Befürworten Sie Bestrebungen in den Kantonen zur Senkung der Sozialhilfeleistungen?

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Die Sozialhilfe in Form von materieller Hilfe ist eine Geldleistung der öffentlichen Hand. Sie wird individuell bemessen und umfasst die Existenzsicherung. Das soziale Existenzminimum gewährleistet Nahrung, Kleidung, Obdach und medizinische Grundversorgung. Ebenso ist die Teilhabe am Sozial- und Arbeitsleben nach den individuellen Verhältnissen sichergestellt. 

Im Jahr 2017 betrug die Sozialhilfequote in der Schweiz 3,3%. Dies entspricht rund 278 345 Personen, die finanzielle Sozialhilfeleistungen beziehen. Gemäss dem Bundesamt für Statistik haben sich die gesamtschweizerischen Sozialhilfeausgaben (im engeren Sinn) zwischen 2005 und 2017 von 1.8 Mia. Franken auf 2.8 Mia. Franken erhöht.

Vor dem Hintergrund steigender Sozialkosten und einer sich verschlechternden finanziellen Lage von Kantonen und Gemeinden hat eine Diskussion über Leistungskürzungen in der Sozialhilfe eingesetzt. Die Forderungen betreffen z.B. die Begrenzung der Zulagen sowie die tiefere Festlegung des Existenzminimums. Zudem werden strengere Sanktionen bei unkooperativem Verhalten und höhere Integrationszulagen verlangt.

  • Die aktuellen Sozialhilfeleistungen üben grosse Fehlanreize aus. Wegen zu hoher Ansätze besteht für viele Sozialhilfebezüger kein Anreiz, eine Erwerbstätigkeit zu suchen, und gering verdienende Erwerbstätige stehen heute am Ende finanziell weniger gut da, als wenn sie Sozialhilfe beziehen würden.
  • Die Sozialhilfeausgaben der Kantone und Gemeinden haben sich in den letzten rund zehn Jahren um die Hälfte erhöht. Die angespannte Finanzlage vieler Kantone und Gemeinden macht es notwendig, dass sich die Leistungen der Sozialhilfe stärker an den finanziellen Möglichkeiten orientieren und wesentlich gekürzt werden.
  • Die Sozialhilfe ist das letzte Glied in der Kette und büsst für Fehlentwicklungen im Wirtschaftsleben und für bereits vollzogene Leistungskürzungen bei den anderen Sozialwerken wie z.B. der Arbeitslosen- oder Invalidenversicherung.
  • Niemand lebt gerne von der Sozialhilfe und der Eindruck, dass die Empfänger von Sozialhilfe ein fürstliches Leben führen, ist falsch. Bereits heute bestehen strikte Kontrollen und Sanktionsmöglichkeiten seitens der Behörden.
  • Um Kosten nachhaltig zu senken, müssen nicht die Leistungen gekürzt, sondern mehr Menschen aus der Sozialhilfe geholt werden.
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6. Soll der Bund den gemeinnützigen Wohnungsbau verstärkt fördern?

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Die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus ist als Verfassungsauftrag ein Ziel der Wohnungspolitik. Der gemeinnützige Wohnungsbau spielt eine wichtige Rolle für die Wohnungsversorgung von Bevölkerungsgruppen, die auf dem Markt aus wirtschaftlichen oder sozialen Gründen benachteiligt sind.

Gemeinnützige Bauträger orientieren sich an der Kostenmiete und wirtschaften ohne Gewinnabsichten. Insgesamt sind in der Schweiz rund 185‘000 Wohnungen im Besitz gemeinnütziger Wohnbauträger. Ihr Marktanteil liegt bei 5 Prozent. Der Anteil gemeinnütziger Wohnungen variiert jedoch stark zwischen den Kantonen.

Die Initiative "Mehr bezahlbare Wohnungen" verlangt unter anderem, dass in Zukunft jährlich 10 Prozent der neu gebauten Wohnungen durch gemeinnützige Wohnbauträger erstellt werden. Neu soll nicht mehr der Wohnungsbau im Allgemeinen gefördert werden, sondern nur noch das Angebot an preisgünstigen Mietwohnungen.

Als Reaktion auf die Initiative hat das Parlament einen Rahmenkredit über von 250 Millionen Franken für den sogenannten «Fonds de Roulement» (FdR) beschlossen. Beim FdR handelt es sich um einen Fonds des Verbands der gemeinnützigen Wohnbauträger, der bereits bisher den gemeinnützigen Wohnbau unterstützt, indem Wohnbaugenossenschaften zinsgünstige Darlehen gewährt werden. Der Kredit des Bundes erlaubt es allerdings bloss, dass die Förderung im bisherigen Umfang weitergeführt werden kann.

  • Aufgrund steigender Mietpreise in Städten und Agglomerationen finden Familien, ältere und junge Menschen finden keine bezahlbaren Wohnungen mehr. Der Bund nutzt die Massnahmen zur Förderung von bezahlbarem Wohnbau viel zu wenig und soll sich stärker engagieren.
  • Mit der Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus und preisgünstiger Wohnungen wird das Wohnen langfristig der Spekulation und dem Renditedruck entzogen. 
  • Der Bundeskredit an den «Fonds de Roulement» stellt keine eigentliche Verbesserung der Situation dar, sondern garantiert lediglich das heutige Niveau.
  • Die Aufgabe der Wohnbaupolitik ist auf der Stufe der Kantone und Gemeinden besser angesiedelt, da sie sich mit den Verhältnissen vor Ort besser auskennen.
  • Der Bund sollte sich an einer marktwirtschaftlich organisierten Versorgung mit Wohnraum orientieren. Vor allem sollte auf wirtschaftsfeindliche Massnahmen wie z.B. fixe Quoten für neu erstellte gemeinnützige Wohnungen verzichtet werden.
  • Die Nachfrage nach den Darlehen aus dem «Fonds de Roulement» ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Ein stärkeres Engagement des Bundes erübrigt sich somit.
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